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Narkose von einem Narkosearzt verständlich erklärt.

Wie hoch ist das Risiko, dass ich aus einer Narkose nicht mehr wach werde?

Eine weit verbreitete Befürchtung im Zusammenhang mit der Narkose ist die Angst, aus der Narkose nicht mehr wach zu werden. Es handelt sich dabei um eine Furcht vor einem Zustand, in dem, wir die Fähigkeit zur Reaktion verlieren, und zwar der durch Narkose induzierte Schlaf. Während des Schlafs wird einem die Möglichkeit genommen, sich durch Worte oder Bewegungen zu verteidigen. Der Gedanke alleine löst unangenehme Gefühle in unserem Körper aus.

 

Wieso muss man überhaupt während der Operation in künstlichen Schlaf gesetzt werden?

Du fragst dich: Aber warum muss das vor allem passieren? Warum muss man überhaupt während einer Operation schlafen gehen? Ich werde dir eine einfache Antwort geben: es ist für die meisten Operationen nötig, dass der Patient sich nicht bewegt und vollständig gelähmt bleibt. Wir müssen deshalb als Narkoseärzte unseren Patienten solche Wirkstoffe verabreichen, in solchen bestimmten Mengen, dass wir die für den Eingriff erforderlichen Bedingungen mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit gewährleisten können.

Und jetzt zu dem Grund, warum die Patienten schlafen müssen. Diejenigen Arzneimittel, die vollständige aber umkehrbare Muskellähmung induzieren, sind im Wachzustand nicht zu ertragen. Stell dir Folgendes vor: Ab einmal kannst du dich nicht mehr bewegen. Du kannst nicht mehr atmen und nicht mal die Augen aufmachen. Das ist ein unfassbar schreckliches Erlebnis, was wir um jeden Preis vermeiden wollen.

Die Antwort zu der Frage „Wie schaffen wir das? Wie verhindern wir ein solch schreckliches Erlebnis?“ ist: durch diesen induzierten Schlaf, der unbedingt vor der Gabe von diesem muskellähmenden Medikament erfolgt. Dies ist ein grundlegendes Prinzip für unsere Narkose. Wir lernen die Reihenfolge der Injektion unserer Medikamenten an dem ersten Tag im Operationsbereich. Das heißt: keine Panik, erst kommt der Schlaf und danach die Muskelentspannung.

 

Die verschiedenen Narkosetiefen. Warum sind nicht alle Narkosen gleich?

Unser wahre und natürliche Schlaf bezieht sich eigentlich auf mehrere Zustände unseres Gehirns. Es gibt verschiedene Tiefen des normalen Schlafs, die man als Stadien bezeichnet. Gleich nachdem du die Augen zu machst, fängt der Einschlafen-Prozess an. Du gelangst bald in das oberflächliche Stadium des Schlafs, aus dem man schnell wieder aufwachen kann. Ein leichter Reiz von Außen wäre mehr als genug, um dich zu wecken.

Danach, als der Schlaf tiefer und tiefer wird, entspannt sich deine Muskulatur, du bewegst die Augen nicht mehr und merkst nicht mehr was um dich herum passiert. Nach etwas 30 Minuten wird der Schlaf richtig tief. Jetzt wird ein stärkerer Reiz gebraucht, um dich zu wecken. Der Aufwachprozess wird länger dauern.

Ähnlich wie bei dem natürlichen Schlaf gibt es auch verschiedene Tiefen einer Narkose. Die Tiefe hängt von der Konzentration des schlafinduzierenden Arzneimittels im Gehirn ab. Hierzu gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten, die Narkose aufrechtzuerhalten: entweder mit Narkosegas oder mit einem Schlafmittel, das kontinuierlich über eine Vene verabreicht wird. Je nach Konzentration des Gases im Blut und bzw. im Gehirn passen wir die Tiefe der Narkose an die Anforderungen der aktuellen Phase der Operation an. Dasselbe gilt auch für das Schlafmedikament.

Du kannst dir vorstellen: eine Operation im Bauch mit aufgeblasenem Bauch ist sehr schmerzhaft und sendet viel Reize an das Gehirn, im Vergleich zur Nahtzeitphase derselben Operation, die mit fast keinem Reiz einhergeht. Deshalb passen wir als Anästhesisten die Tiefe der Narkose dynamisch an, damit sie tief genug ist, aber nicht tiefer als nötig.

 

Was bedeutet „Nicht mehr wach zu werden“?

Das ist vielleicht nicht das, was du denkst. Das klassische Konzept besagt, dass der Patient aufgrund der bösen Narkose nicht mehr wach wird. In der Praxis ist es anders. Zum einen gibt es tatsächlich eine verlängerte Aufwach-Phase. Laut Marco Cascella et al. etwa 9% der Vollnarkosen sind davon betroffen. Das Gute ist allerdings: Auch wenn der Patient erst nach ein paar Stunden wach wird, wird sein Verstand danach nicht beeinträchtigt im Vergleich zu vorher.

Zum anderen gibt es Fälle, in denen wir den Patienten auch nach dem Ende der Operation im künstlichen Schlaf weiterhin halten müssen. Hierzu gibt es unendliche Beispiele, wie sehr lange Operationen (die mit erheblichem Blutverlust oder mit Verschiebung von vielen aktiven Stoffen ins/aus dem Blut einhergehen). Es gibt auch sehr kranke Patienten in kritischen und lebensbedrohlichen Zuständen, die weiterhin unter einer Vollnarkose bleiben müssen.

Warum lassen wir aber manche Patienten nicht wach werden gleich nach der Operation? Sondern zu einem späteren Zeitpunkt auf der Intensivstation? Die Antwort ist überraschend einfach: weil es nicht schön ist!

Ich werde es erklären. Sobald ein Mensch hinsichtlich seines Herzkreislaufs instabil ist, passiert genau das was in Filmen gezeigt wird. Diese Personen fallen um, fühlen sich schlecht und nach kurzer Zeit kann es durchaus sein, dass sie sowieso ohnmächtig werden. Deswegen denken wir folgendes: der Patient hat es verdient, in aller Ruhe auf der Intensivstation aufzuwachen, und zwar erst, nachdem sein Zustand sich verbessert hat und er sich einigermaßen stabilisiert hat.

 

Wieso ist aber die Narkose (nach dem Eingriff, auf der Intensivstation) vorteilhafter für den Patienten als ihn einfach wach werden zu lassen?

Im Wachzustand müssen wir immer Energie verbrauchen. Wir müssen uns anstrengen, um zu atmen. Falls wir uns in einer kritischen Lage finden, schickt uns unser Körper ständig Signale, dass etwas nicht stimmt. Wir müssen gegen diese Signale kämpfen (gegen starke Schmerzen, Übelkeit, allgemeines Unwohlsein). All das würde ein Patient erleben, es sei denn, er bleibt in künstlichem Koma, bis sein Körper sich zuerst erholt.

Sobald uns die Bedingungen zulassen, lassen wir den Patienten aufwachen. Während dieser Aufwachphase überprüfen wir ständig, ob der Patient sich selber genügend anstrengen kann. Sobald er uns gezeigt hat, dass er dazu imstande ist, lassen wir ihn aufwachen.

 

Was passiert, wenn der Patient nach einem längeren Aufenthalt auf der Intensivstation immer noch nicht genug Energie aufbringen kann?

Leider gibt es keine einzige bzw. standardisierte Antwort. Jeder Fall muss individuell betrachtet werden. Das heißt, es ist sehr schwierig zu sagen was zunächst passiert. Es könnte sein, dass der Patient länger braucht, sodass eine Langzeitpflegeeinrichtung die optimale Lösung wäre. Auf die Verlegung in die Einrichtung kann die Intensivstation den Patienten vorbereiten.

Allerdings muss man leider auch damit rechnen, dass der Patient sterben kann. Wenn der Körper trotz aller unterstützenden Maßnahmen immer noch erschöpft ist, kann der Tod schnell eintreten. Diese Fälle treten in der Regel bei Patienten auf, die schon vor der Operation in einem kritischen lebensbedrohlichen Zustand waren. Wir versuchen zwar, durch die Operation die mögliche Ursache zu beseitigen, aber manchmal ist es zu spät, mit den derzeitigen medizinischen Verfahren noch etwas mehr ausrichten zu können.

Die Anästhesie und die Intensivmedizin sind die letzten Rettungsanker für die kritischen Patienten. Die beiden können aber auch bis zu bestimmten Grenzen helfen. Deswegen ist es unerlässlich solche Verläufe von vornherein zu vermeiden! Das schaffst du, in dem du z.B. regelmäßig deinen Hausarzt oder die anderen Ärzte bei denen du dich in Behandlung findest aufsuchst.

 

Zusammenfassung: Das Risiko, nicht mehr aufzuwachen, ist bei einer planmäßigen Operation sehr gering!

Aus der Narkose nicht mehr aufwachen kommt vor nach der Erschöpfung aller derzeitigen medizinischen Verfahren. Wenn der Patient trotzdem nicht selbständig am Bewusstsein bleibt und/oder nicht imstand dazu ist für sich selber anzustrengen, bleibt uns übrig zusammen die Wünsche des Patienten (via z.B. Vollsorgevollmacht) zu verwirklichen oder in Abwesenheit solche Dokumente sollte man im Sinne des Willen des Patienten entscheiden, was öfter nicht einfach ist.

 

Also meine lieben Leser: Keine Angst vor dem Schlaf, denn er ist notwendig! Um unerwünschte Folgen zu vermeiden sollt ihr eine medizinische Behandlung nicht verzögern!

Bis zum nächsten Mal,

Robert

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